pferdegestütztes coachingEin Erfahrungsbericht von Alicja Feltens, Frankfurt.

Freitag, ein Novembernachmittag in Ostfriesland. Für heute habe ich die Frankfurter Häuserschluchten gegen jede Menge Sand und die raue Nordsee getauscht. Und meinen Open Office Schreibtisch gegen eine Pferdekoppel. Doch nun bin ich hier und es ist kalt und windig. So kalt, dass einem die Finger gefrieren und so windig, dass der Wind an meiner Winterjacke zupft und zerrt. Glücklicherweise scheint die Sonne und taucht den Tag in ein wunderschönes Licht.

Lässt nicht direkt an einen Business-Kontext denken, stimmt’s? Oder eine Coaching Situation? Oh, doch!

Aus meiner Sicht wirkt Coaching besonders nachhaltig, wenn es aus der Komfortzone holt. Kann ich nicht in meinen bekannten und bewährten Mustern reagieren, die oft als Sicherheitsnetz agieren, handle ich intuitiv und instinktiv. Und hier wird es interessant. Auf dieser Koppel werde ich nun nicht mit anderen Menschen interagieren, sondern mit Pferden. Ich bin sehr gespannt, denn ich war nie so der „Pferde-Typ“.

Sich seiner Wirkung bewusst sein

Die Besinnung auf die eigenen Fähigkeiten, die Auseinandersetzung mit der eigenen Person, seinen Stärken und Schwächen und die Frage nach den eigenen Zielen – beruflich wie persönlich – ist heutzutage Teil unseres Lifestyles. Für mich ist es keineswegs eine Modeerscheinung. Jeder kann persönlich davon profitieren und auch daran wachsen. Insbesondere, wenn man Führungskraft ist oder sich gerade in diese Rolle hineinentwickelt. Gutes Leadership braucht im ersten Schritt Self-Leadership. Dazu gehört natürlich, sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein (und/oder zu werden). Genauso wie die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und wofür ich persönlich stehen möchte. Im Moment lesen wir überall das Wort “Haltung”. Ganz besonders wichtig: ein Bewusstsein über die eigene Wirkung und wie klar ich in meiner verbalen und nonverbalen Kommunikation bin. Am Ende ist es immer ein Stück die Frage „Weiß ich, wer ich bin?“, die ich mir damit beantworte.

Der blinde Fleck

Soweit die Theorie… Los geht’s: Raus aus meiner Komfortzone und rein in ein pferdegestütztes Coaching – auf der Insel Langeoog und mit der wunderbaren Urte Sjuts von Sjutable Coaching & Meer.

Ohne Frage, ich befand mich außerhalb meiner Komfortzone, war auch ein wenig nervös, was nun passiert. Ich hatte keine Ahnung, wie das Coaching ablaufen würde. Überhaupt war es für mich auch das erste Mal, dass ich einen so direkten Kontakt mit Pferden hatte. Ich habe einiges über mich gelernt, manches wieder neu erfahren oder bestätigt bekommen und dann wiederum gesehen, wo mein blinder Fleck ist. Es ist nicht so, dass mir alles neu war, aber mit zwei Pferden auf der Koppel zu stehen, hat vieles verstärkt, intensiviert oder erst in Gang gebracht. Was kann ich beispielsweise daraus ablesen, wenn mir die Leitstute der Herde, an diesem Tag einer meiner Co-Coaches, auch ohne Worte folgt und sich mir direkt zuwendet? Dies ist Teil einer anschließenden Videoanalyse. Ich habe gelernt, Pferde wenden sich dem Menschen zunächst grundsätzlich positiv zu. Sie erkennen unbewusste Verhaltensweisen. Binnen Sekunden hat das Pferd die Energie und die Emotionen des ihm begegnenden Menschen erfasst. Als Herden- und Fluchttiere folgen Pferde nur Menschen, denen sie vertrauen.

Was heißt das auf das Geschäftsleben bezogen?

Es war nicht die letzte Coaching Session auf Langeoog und alle Fragen habe ich sicherlich nicht in einer Session gelöst, aber ich merke, dass ich bewusster mit Situationen umgehe und auch MIR bewusster bin. Mein Eindruck ist, dies hat nicht nur positiven Einfluss auf mich, sondern ebenso auf mein Team, meine KollegInnen und wahrscheinlich auch für meinen Arbeitgeber.

Ich glaube, solche speziellen Coachings sind letztlich nicht nur für Einzelpersonen sinnvoll. Im Setting mit Pferden als Co-Coaches, kann man sehr gut Teamprozesse betrachten. Pferde sind empathische und sensible Wesen, die uns Menschen gut spiegeln können. Aus der Interaktion der jeweiligen Personen mit dem Pferd und der Reaktion des Pferdes auf einen selbst kann man vieles ableiten. Es deckt manche Dynamiken und Hemmnisse innerhalb eines Teams auf. Dies kann sowohl in Veränderungsprozessen innerhalb eines Unternehmens von Vorteil sein, als auch in neuen Teamkonstellationen, wo sich Rollen und Verantwortlichkeiten beispielsweise ändern.

Leadership ist so eine Sache. Führungskraft sein auch. Wollen wir gut führen, sollten wir bei uns damit anfangen.